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GrünVerlag


Schwerpunkt Bücher zur Bretagne, keltische Geschichten, Sagen, Krimis und mehr....

Angebote des GrünVerlages

Die kelydonische Helix
Wo keltische Sagen zu Hause sind - mehr als eine Zeitreise!

Todeslegenden der Bretagne
bretonische Bräuche und Legenden um Sterben, Tod und Jenseits

Felice Mantovan-Verdi
drei keltische Geschichten - neu erzählt

Clas Myrddin
Morde und Menhire - seine Krimis aus der Bretagne

Die Vergangenheit hat schon begonnen
Die Zerstörung der Umwelt indigener Völker
Nicht mehr lieferbar! Einzelne Exemplare noch über den Verlag.

Die Webseite des Grünverlags enthält außerdem die folgenden, nicht- veröffentlichten Texte:

Tu, Felix Frisia, nube!
Das Rätsel der Jevrischen Dynastie
Ein Beitrag zur historischen Aufklärung, an dem jeder mitarbeiten kann.

Thesen zur Mythologie der keltischen Völker

gruenverlag - keltische Geschichte, Druiden, Sagen, Mythen und mehr....

GRÜNVERLAG
Dr. G. Grün Am Spik 35, D-44789 Bochum
Tel.: 0234-381322 info@gruenverlag.de

  www.gruenverlag.de 

 

Alle Titel beziehbar über den Buchhandel oder direkt bestellbar beim GrünVerlag.

 


- Auszug und Leseprobe -

 

Die kelydonische Helix

Aus den alten Zeiten bevor die Menschen sich über die Länder der Erde ausbreiteten wissen wir nicht viel. Manchmal findet man im Erdboden Reste von seltsamen Tieren, welche wir heute nicht mehr kennen; manchmal erzählen uns alte Geschichten von den Wesen, von welchen der Mensch die Erde übernommen hat. Denn als in Mittelerde und in anderen Gegenden der alten Erde die Herrschaft der Menschen begann, zogen sich jene anderen Wesen zurück, und nach und nach glaubte man, es gebe sie nicht mehr, ja es habe sie nie gegeben. Aber das liegt nur daran, dass unsere Blicke stumpf geworden sind; denn es kommt noch vor, dass sie sich den Menschen zeigen und in ihr Leben eingreifen. Wenn wir Menschen ihnen begegnen, nennen wir sie Kobolde oder Geister. Und gehören nicht auch Riesen und Zwerge, Elfen und Nixen, Drachen und Zauberer zu ihnen? Solche Begegnungen werden jedoch immer seltener. Die alten Wesen ziehen stille Länder vor, wo sie von den wenigen Menschen, die dort wohnen, nicht behelligt werden und wo die gewaltigeren unter ihnen sich nicht erst mit den Menschen auseinandersetzen müssen.

Ich hatte es nie geglaubt, dass die Wesen der Vorzeit verschwunden oder gestorben seien, und ich habe viele Bücher studiert, um mehr über sie herauszufinden. Was mir diese Bücher sagen konnten, waren die Namen von Ländern, in denen man gelegentlich auf diese Wesen treffen kann, welche dort unter den verschiedensten Bezeichnungen leben und sich auch den Menschen zeigen. Es waren jedoch niegehörte Namen von unbekannten Ländern.

Eines dieser Bücher, es hatte den geheimnisvollen Titel

 

WEST Western European Secret Tradition

war über hundert Jahre alt, viele Seiten waren wie verklebt und ließen sich nicht öffnen. Aber wie von selbst sprang es immer an der Stelle auf, an der ich die Worte "in Kelydon" lesen konnte. Ja, mir war, als leuchteten beim Lesen die Worte "in Kelydon" in besonderer Weise auf und als verspüre ich einen leichten Schwindel.

Wieder saß ich einmal vor diesem Buch und wieder zusammen mit Anselm und Julia. Wir wollten es noch einmal versuchen, mehr aus diesem Buch zu erfahren, aber im Grunde war unser Entschluss schon gefasst: Sobald wie möglich wollten wir uns auf die Reise nach Kelydon machen!

Ihr wollt also die Ungesehenen sehen, die Ungehörten hören und das Unerhörte?

Erschreckt blickten wir auf! Alle drei hatten wir die Stimme gehört und suchten den, dem sie gehören mochte. Aber da war niemand. Oder doch? Zwischen uns und dem Fenster hing ein Schimmer im Zimmer, oder war es nur eine Trübung in meinem Auge? Auch Anselm starrte auf diese Stelle. Da schien also wirklich etwas zu sein. Aber was heißt `wirklich` bei diesem schwachen Schimmer? Von Gestalt und Größe wie ein Mensch, aber völlig unwirklich, schimmerig.

Wer sind Sie?", fragte ich schließlich tonlos. "Wieso wissen Sie von unseren Absichten? Wie ist das möglich?"

"Du staunst, Mensch?" Kein Zweifel, die Stimme kam von jenem Schimmer. "Du staunst, Mensch? In deinem Innern spürst du ganz sicher, dass es das von Menschen Ungesehene gibt und das Ungehörte, aber wenn ich dir zeige, wie ich in dir das Ungesagte höre, Ungeschriebenes, ach, Ungeschriebenes sehe, dann staunst du? Glaubst du nicht an das Ungesehene?"

Ich bin fest überzeugt", antwortete ich, jetzt ganz gefasst und froh, über mein Lieblingsthema sprechen zu können, "ich bin fest davon überzeugt, dass es neben den Menschen noch Wesen gibt, von denen nur unsere alten Erzählungen etwas wissen und...

"Ach, überzeugt", lachte die Stimme, "Überzeugung wankt mit jedem Mund, der dir anders redet. Du meinst es nur; aber du musst es glauben, um dich auf die Suche zu begeben, und erst, wenn du sie weißt, bist du jener Welt teilhaftig.

Ihr Menschen, ihr habt das Hören und das Sehen vergessen, verloren. Mit euren neuen Gerä­ten könnt ihr überall hinhören und hinsehen, könnt das Kleinste und das Fernste sehen. Ihr holt mit ihnen die Welt in euer Haus und wundert euch nicht, dass die Welt tatsächlich Platz hat in eurem Haus. So klein ist eure Welt! Nichts, so denkt ihr, sei vor euch mehr ein Geheimnis. Ihr schaut in die fernsten Länder und auf die Gestirne, eure Ärzte schauen euch ins lebende Herz. Ihr lasst euch alte Zeiten vorführen und seid überall dabei, wo etwas geschieht. Aber ihr seht doch immer nur das, was eure Geräte sehen können. Und bevor ihr eure Geräte hattet, waren es eure Maler, die für euch sehen sollten, die euch gezeigt haben, wie ihr sehen sollt. Seit Tausenden von Jahren seht ihr nur Bilder, und die Welt ist euch zu Bildern geworden.

Ihr könnt nicht mehr hören. Seit ihr angefangen habt, alles aufzuschreiben, habt ihr euer Ohr verloren. Früher sangen die Sänger ihre Lieder, und jeder behielt die Lieder im Herzen und hörte Welt und Götter in den Liedern, jeder hörte die Laute und Klänge der Welt. Wer am besten hören und sehen konnte, der war der Beste. Dann haben die Menschen gelernt, es aufzuschreiben und hörten nur das, was sie in ihre engen Zeichen bringen konnten. Was sie schreiben, verbreiten sie in großen Mengen überall hin, dass niemand mehr hören und sehen muss. Ihr habt es erlebt, wie die Menschen auch nicht mehr schreiben müssen, weil sie jetzt das gesprochene Wort mit ihren Geräten verbreiten können. Aber sind denn damit die alten Zeiten wiedergekommen, in denen sie auch nicht zu schreiben brauchten? Ach, sie verbreiten nur ihre engen Worte und nur das, was die Geräte hören und sprechen können! Das ist weniger, als sie einst schreiben konnten, und viel weniger, als sie einst hören konnten."

Die Schimmerstimme schwieg, und nach einer Weile sagte ich: "Sonderbar wahr und falsch erscheint mir, was Sie sagen. Haben wir denn durch unser Schreiben und Drucken nicht so viel auch gewonnen?"

"Du hörst, siehst und redest wie ein Mensch", sagte die Stimme. "Stolzer Mensch! Aber doch nicht so stolz wie viele andere; denn du suchst noch nach dem, was du nicht hören und sehen kannst. Ihr könnt mich jetzt hören - mich sehen, das werdet ihr wohl nicht wieder lernen. Solange ihr mich hören könnt, will ich euch führen."

"Wer sind Sie?", fragte ich nun wieder, neugierig und ängstlich zugleich, "den wir nicht sehen, aber hören, und der uns vieles zeigen kann?"

"Ich bin Amser, und Ankou ist meine Name. Wenn ihr mit mir zurückgeht, werde ich euch zu Menschen führen, die hörten und sahen, und wer weiß, ob ihr nicht auch Zugang zu dem Ungesehenen findet, wie die Menschen am Rande der Welt und am Morgen der Zeit." Die Stimme ward stumm und der Schimmer war auf einmal nicht mehr da.

 

 

 


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