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Kaptan Ali    7Jahre in Antalya

- Roswitha Schaub -


Tausendundein paar Nächte - 7 Jahre in Antalya

 

Eigentlich begann alles damit, dass ich einen schweren Motorradunfall hatte und monatelang auf Krücken angewiesen war.
Damals verlies mich mein Lebensgefährte mit dem ich bis dahin einen Autohandel betrieb. Das er ging war nicht so schlimm, er hatte sich in den Monaten nach meinem Unfall sehr schofel verhalten und ich war im Grunde ganz froh darüber, als er mit Sack und Pack aus meiner Wohnung verschwand und zu einer Neuen zog. Leider war mit ihm aber auch meine Arbeit weg.
Als ich wieder einigermaßen auf meinen Beinen stehen konnte überredeten mich mein Onkel und meine Tante für 3 Monate mit ihnen in die Türkei zu fahren. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, fuhr ich mit.
So lernte ich in Antalya Kaptan Ali kennen. Er war der Besitzer eines Campingplatzes und des dazugehörigen Restaurants.
Ali erzählte mit gleich am ersten Abend, dass er frisch von seiner ungeliebten Frau geschieden sei. Bevor er sich sein kleines Paradies in Antalya geschaffen hat, arbeitete er beinahe 25 Jahre auf einem Passagierschiff, zuletzt als Kapitän. Dieser Mann, knapp 180 groß mit strahlend blauen Augen, verliebte sich fürchterlich in mich und wollte mich sofort heiraten.

Ich fuhr wieder nachhause denn ich hatte bis dahin noch nie einen Gedanken daran verschwendet, mein geliebtes Deutschland zu verlassen und mich im irgendwo im Ausland niederzulassen. Doch Ali war sehr hartnäckig. Er rief täglich bei mir an. An manchen Tagen zwei oder auch dreimal. Ich flog noch ein paar Mal zu ihm, doch ans Auswandern dachte ich immer noch nicht. Ich kann heute auch nicht mehr sagen, ob ich mich mehr in Ali oder in Antalya und den Campingplatz verliebt hatte.
Jedenfalls musste ich ca. 1Jahr später mein Enkelchen zu mir nehmen (meine Tochter hatte mich mit 36 Jahren zur Oma gemacht). Nun war es sehr schwer, das völlig verstörte Kind (2) zu versorgen und nebenbei meinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Und eines Tages nahm ich Alis Angebot, seinen Platz und sein Restaurant in Antalya als gleichberechtigter Partner zu übernehmen, an. Mit meinem kleinen René flog ich nach Antalya zu Ali. Ich sprach damals kein Wort türkisch und Ali nicht deutsch.

Schon bei der Übernahme des Restaurants machte Alis Sohn solche Schwierigkeiten, dass Ali vor Aufregung ohnmächtig umfiel und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
Nach anfänglichen Problemen schaffte ich es, das Geschäft aus den roten Zahlen zu bringen. Die Umsätze konnten sich sehen lassen. Was Ali mir nicht gesagt hatte war, dass er noch gar nicht geschieden war. Und seine Frau kam regelmäßig zu uns zu besuch und verbrachte ihren monatelangen Urlaub bei uns. Meistens mit vielen Freunden, die alle umsonst wohnten und umsonst verköstigt werden mussten. Ali selbst hatte natürlich auch sehr viele gute Freunde. Und es war völlig in Ordnung, dass sie niemals auch nur eine Restaurantrechnung bezahlten.
Für ihn war nur wichtig, dass er am Abend soviel Geld aus der Kasse nehmen konnte, wie er am nächsten Tag brauchte um dafür Schrott zu kaufen, den er überall auf dem Platz sammelte. Ob die Stromrechnungen oder die Steuer bezahlt werden konnte, dass interessierte ihn nicht. Mit meinem lautstarken Geschrei schaffte ich es, dass sich wenigstens seine Familie nicht mehr einmischte in das Geschäft. Aber kaum war dieses Problem einigermaßen gelöst, tauchte das Nächste auf: Die Mafia
Und da Ali fürchterlich feige war, durfte ich mich damit herumschlagen. Alis Hilfe für das Restaurant bestand darin, dass er die weiblichen Gäste schamlos anmachte und das Personal sinnlos herumscheuchte.
Hatte ich ein gutes Abendprogramm auf die Beine gestellt, kam Ali und lieh sich mal die Bauchtänzerin für einen Freund aus. Das Mädchen musste für ein paar Betrunkene auf einer Yacht tanzen. Das sein Restaurant voll besetzt war und die Gäste auf den Auftritt der Dame warteten, war für ihn unwichtig. Verdiente er doch an der Bauchtänzerin mindestens 10 Mark Und ich musste mich nach einer neuen Tänzerin umschauen. Denn noch einmal kam dieses Mädchen nicht mehr.

Alles was ich in monatelanger Arbeit aufbaute machte Ali innerhalb von ein paar Tagen zunichte.
Und ich fing immer wieder von vorne an. Immer und immer wieder.
Da Ali täglich für die unsinnigsten Dinge Geld aus der Kasse nahm, mit dem eigentlich Rechnungen bezahlt werden mussten und seine zahlreichen Freunde niemals zahlten, musste ich mit meinem Geld aushelfen. Es wurde zwar in die Geschäftsbücher peinlich genau eingetragen, wie viel mir das Geschäft schuldete, doch selten blieb soviel übrig, dass ich es wieder herausnehmen hätte können.
Besonders im Winter lebte das gesamte Personal ausschließlich auf meine Kosten. Und im Sommer tauchten ständig irgendwelche Schulden auf, die noch aus der Zeit stammten als Ali mit seinem Sohn das Geschäft führte. Wenn ich sie nicht bezahlt hätte, dann wäre der ganze Betrieb geschlossen worden.

Mein kleiner Enkel René entwickelte sich jedoch zu einem herrlichen Kerlchen. Auch Ali war ganz vernarrt in ihn. Das war einer der Gründe, weshalb ich nicht aufgab und nach Deutschland zurückkehrte.
Doch dann wurde ich krank. Körperlich und seelisch. Ich nahm 20 kg ab und war so deprimiert, das mir alles völlig egal geworden war. Ich hatte keinen Pfennig Geld und sah auch keinen Weg, wieder welches zu verdienen.Inzwischen wäre ich gerne nach Deutschland gegangen, doch wie? Ich hatte aufgehört zu kämpfen. Überlies Ali das Geschäft. Es interessierte mich nicht mehr. Überwiegend saß ich vor meinem Fernseher.
So fand mich dann ein Freund. Mit seiner Hilfe fing ich wieder an, wenigstens um mein eigenes Geld zu kämpfen. Inzwischen waren gut und gerne 50 000Mark von mir in Alis Geschäft gesteckt worden. Wäre dieser Freund nicht aufgetaucht, ich glaube ich wäre in Antalya gestorben. Mit ihm kam auch wieder die Liebe in mein Leben. Und diese Liebe gab mir meinen Kampfgeist zurück. Ich ging zum Anwalt. Er meinte, die Sachlage wäre eindeutig und Ali müsse das Geld an mich bezahlen. Nur… Ali hatte kein Geld.

Also einigte ich mich mit Ali, dass die Einnahmen des gesamten Geschäfts ausschließlich an mich gingen.  Zähneknirschend unterschrieb er den Vertrag. Nun konnte ich schalten und walten wie ich wollte und Ali durfte sich weder einmischen, noch Geld aus der Kasse nehmen.
Nach ein paar Tagen hatte ich wieder ein volles Haus und das Geschäft lief. Doch lange dauerte meine Freude nicht an. Diesmal machte nicht Ali alles kaputt, sondern das schreckliche Erdbeben in Istanbul. Das furchtbare Leid das damals über die armen Menschen kam ließ mich meine läppischen Geldsorgen vergessen. Ich war überglücklich, dass mein René gesund war, nahm ihn, die paar Tausend Mark die ich dann wieder hatte und kehrte nach Deutschland zurück.

 

Wenn sie mehr über mein Leben mit Ali erfahren wollen, dann können sie dieses auf meiner HP
www.antalya-07.de lesen.

Liebe Grüße Roswitha

 

 

 

 

 


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